Judith Kretzschmar, Markus Beiler, Uwe Krüger und Florian Döring rekonstruieren subjektive Sinnwelten von Angehörigen verschiedenster Milieus, die häufig von Distanz zu Institutionen und Eliten geprägt sind. Man leidet an einem moralisch aufgeladenen Diskurs-Mainstream, der bei wichtigen Themen wie Corona, Migration, Klima oder Russland nicht die eigene Haltung widerspiegelt und als gesteuerte Propaganda wahrgenommen wird. Die Vorschläge der Befragten zur Veränderung der Situation beziehen sich häufig auf die Demokratie als Ganzes und bieten die Grundlage für einen neuen Dialog.
Die im Verlag transcript erscheinende Studie fasst zentrale Forschungsergebnisse zusammen, die seit 2019 am Zentrum Journalismus und Demokratie (JoDem) der Universität Leipzig erarbeitet wurden. Der gewählte qualitative Zugang stellt mit seinen vielschichtigen Einblicken eine wichtige Ergänzung zu Repräsentativbefragungen dar, die ein geringes und teils schwindendes Vertrauen in Medien und Politik feststellen, und blickt somit hinter die Zahlen.
Die Publikation wird der Öffentlichkeit am 13. Februar 2025 in Leipzig vorgestellt. Die Anmeldung zur Buchvorstellung ist bis zum 3. Februar möglich, mehr dazu hier.
Das Buch erscheint in gedruckter Form sowie als kostenfrei verfügbare PDF-Datei auf der Seite des Verlags.
Florian Döring
Das Zentrum Journalismus und Demokratie (JoDem) der Universität Leipzig wird durch das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus (SMWK) gefördert.
Fragen und Antworten zu „Von Lügenpresse und abgehobenen Eliten“
1. Warum ein Buch zu diesem Thema?
Viele Menschen in Deutschland zeigen Misstrauen gegenüber Journalismus und Politik und sind unzufrieden mit der Demokratie, wie sie real funktioniert. In Sachsen, dem Geburtsland der Pegida-Bewegung und des Lügenpresse-Vorwurfs, zeigt sich das wie in einem Brennglas. Daher sind wir auf die Suche nach den Ursachen der Entfremdung gegangen – und nach Möglichkeiten, das Misstrauen zu verringern. Denn Vertrauen ist entscheidend für das Funktionieren einer freiheitlichen Demokratie.
2. Welche Bedeutung kommt dem Thema in aktuellen gesellschaftlichen Debatten zu?
Angesichts der Wahlerfolge rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien stellt sich die Frage: Wollen wir weiter in einer liberalen Demokratie leben oder uns Autoritäten unterwerfen, die in krisenhaften Zeiten Sicherheit suggerieren? Laut Umfragen ist das nicht nur ein Thema der Ostdeutschen – der Westen holt in dieser Hinsicht auf. Daher ist die Debatte zentral, wie der Graben zwischen einem ziemlich großen Teil der Bevölkerung und den demokratischen Institutionen verkleinert werden kann.
3. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?
Das Vertrauensproblem ist bisher vor allem mit quantitativ-standardisierten Befragungen erforscht worden. Wir gehen in die Tiefe: Wir waren bei den Menschen, haben mit ihnen gesprochen. In den 61 Interviews schälten sich bestimmte Wirkmechanismen heraus, die man mit Abfragen von Items nicht einfangen kann. So wird etwa verständlich, wie der Verdacht zustande kommt, dass Medien gesteuerte Propaganda betreiben würden und warum sich viele Menschen von Medien und Politik nicht repräsentiert sehen.
4. Welche besonderen Aspekte kann die wissenschaftliche Betrachtung in die öffentliche Diskussion einbringen?
Der sozialwissenschaftliche Tiefenblick in die subjektiven Sinnwelten der sächsischen Bürgerinnen und Bürger kann neue Ansatzpunkte liefern, wie Institutionenvertrauen und gesellschaftlicher Zusammenhalt gestärkt werden können. Wir sehen unsere Studie als Beitrag gegen das Verstummen, das Verweigern des Dialogs, das Sich-Abkapseln in Filterblasen und die populistische Radikalisierung, indem wir uns den Wahrnehmungen und Bedürfnissen widmen, die hinter der Skepsis stecken.
5. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten diskutieren?
Mit Medienschaffenden, Politik-Profis sowie den Menschen, die mit Skepsis auf den öffentlichen Diskurs und politische Prozesse schauen.