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Wie viele Schusswaffen sind in Deutschland in Privatbesitz? Eine Frage, die nicht leicht zu beantworten ist: Konkrete Zahlen zu erhalten ist kompliziert – und die Angaben verschiedener Behörden widersprechen sich. Warum ist das so? Dieser Frage sind Studierende des Master-Studiengangs Journalismus am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig nachgegangen, in Kooperation mit dem Podcast-Radio detektor.fm. Das Ergebnis ist eine investigative Podcast-Reihe mit vier Folgen, die von heute an (22. Februar bis 25. Februar) im täglichen Podcast „Zurück zum Thema“ veröffentlicht wird. Eine der zentralen Aussagen der Rechercheure lautet: „In Deutschland scheint niemand genau zu wissen, wo und wie viele Schusswaffen auf Landkreisebene registriert sind.“

Der Podcast und die begleitenden Online-Artikel geben einen einzigartigen Einblick in die Arbeit der 541 deutschen Waffenbehörden, bei denen die Studierenden die Zahlen einzeln angefragt haben. Der gesamte entstandene Datensatz mit der registrierten Zahl der Schusswaffen in Privatbesitz (5,4 Millionen legale Schusswaffen) in ganz Deutschland ist hier veröffentlicht. Eine Deutschlandkarte zeigt dort zum Beispiel die Waffendichte in Städten und Landkreisen.

Datenrecherche als Meisterstück der Studierenden

„Die Studierenden haben mit diesem Projekt ihr journalistisches Meisterstück abgeliefert“, sagt Studiengangsleiter Prof. Dr. Markus Beiler. „Uns geht es in der journalistischen Ausbildung nicht um Fingerübungen, sondern wir wollen mit anspruchsvollen und gesellschaftlich wichtigen Themen zusammen mit unseren Kooperationspartnern aus der Praxis im Journalismus auch selbst mitmischen. Entsprechend dem Motto des Masterstudiengangs Journalismus – ‚Digital. Innovativ. Relevant‘ – haben die Studierenden das Verborgene unter der Spitze des Eisbergs gesucht und Brisantes mit innovativen Mitteln der Datenrecherche gegen Widerstände von Behörden auch gefunden.“

Unter der Leitung der Dozierenden Dr. Uwe Krüger und Gastprofessor Constantin Blaß sind dazu im Rahmen des Projektseminars „Innovationsprojekt” vier Audio-Beiträge entstanden: „Wie bewaffnet ist Deutschland?”, fragt die erste Folge. Darin werden die erhaltenen Daten zu legalem Waffenbesitz vorgestellt und Ungereimtheiten in den Angaben aufgezeigt. „Die Angaben der einzelnen Waffenbehörden in Summe unterscheiden sich von denen der Landesinnenministerien. Insgesamt kommen wir auf einen Differenzbetrag von über 112.000 Waffen“, berichtet Inga Jahn. Die meisten gemeldeten Schusswaffen pro 1.000 Einwohner gibt es in Rheinland-Pfalz, Bayern und dem Saarland, die wenigsten in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg.

Die zweite Folge „Was läuft schief beim Waffenzählen?” sucht nach den Ursachen fehlerhafter Daten und thematisiert die Probleme in den Waffenbehörden. Einige Gründe sind laut den Recherche-Ergebnissen der Studierenden: mangelhafte Ausbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Waffenbehörden, Personalmangel in den Behörden und praxisferne Waffengesetze und daraus resultierende Schwierigkeiten in der Umsetzung. Folge drei möchte wissen: „Warum dreht sich die Waffendebatte im Kreis?” und rückt den Umgang der Gesellschaft mit dem Thema Waffen in den Fokus. Der Podcast schließt dann in der letzten Folge mit der Frage „Brauchen wir eine neue Waffenpolitik?”. Im Sinne eines konstruktiven Journalismus werden hier Ideen diskutiert, die zu einer Verbesserung der Regulierung von Waffen in Deutschland führen könnten.

Leuchtturm-Projekt für Podcast-Radio

„Mit unserem täglichen Podcast ‚Zurück zum Thema‘ erreichen wir täglich zehntausende Hörerinnen Hörer. Langwierige Recherchen können wir als junges und kleines Team leider bisher immer nur punktuell leisten. Als das Team des Journalismus-Master mit der Projektidee an uns herangetreten ist, haben wir uns sehr gefreut und das Team in allen möglichen Punkten unterstützt. Wir freuen uns, dass wir den jungen Journalistinnen und Journalisten und ihrer langfristigen Recherche mit der Mini-Serie eine reichweitenstarke Plattform geben können”, freut sich Christian Bollert, Mitgründer und geschäftsführender Gesellschafter des Podcast-Radios detektor.fm.

„Wir sind froh, dass wir durch die Zusammenarbeit mit detektor.fm eine hohe Reichweite erhalten und hoffen, dass unsere Recherche eine faktenbasierte Debatte anstoßen kann”, meint Studentin Julia Bellan. Ihr Kommilitone Sebastian Schwarzenböck ergänzt: „Es ist immer spannend, die Entwicklungen einer Recherche mitzuerleben. Im Fall unseres Podcasts hatten wir nach langem Hin- und Her endlich die Daten vorliegen und mussten feststellen: Irgendwas stimmt hinten und vorne nicht. Deshalb fragen wir: ‚Woran kann das liegen?‘”

Das Recherche-Team ist per E-Mail unter schusswaffen@detektor.fm zu erreichen und besteht aus Julia Bellan, Paul Hildebrand, Inga Jahn, Michael Kees, Sebastian Schwarzenböck, Catharina Straß und Nico van Capelle. An der Erhebung des Datensatzes haben Carla Grefe-Huge, Lea Heilmann, Sophie Menner, Nina Pogrebnaya, Philipp Sauer, Alina Schreiber und Sophia Voss mitgewirkt.

Master Journalismus an der Universität Leipzig

Im Masterstudiengang Journalismus lernen Studierende, den digitalen Wandel des Journalismus zu begleiten und innovativ mitzugestalten. Dazu vereinigt das Studium die grundständige journalistische Ausbildung mit informatikwissenschaftlichen Kompetenzen und Kenntnissen angewandter Journalismusforschung. Das dreijährige Studium schließt ein Volontariat in einem journalistischen Medium ein. Bewerbungen für den nächsten Jahrgang sind im Mai 2021 möglich.

Podcast-Radio detektor.fm

Das Podcast-Radio detektor.fm ist eine mehrfach ausgezeichnete Radio- und Podcast-Plattform. 2020 war es für den Grimme Online Award und den Deutschen Radiopreis (Kategorie „Podcast“) nominiert. Mittlerweile gehörte das Podcast-Radio bereits viermal zu den Nominierten des Grimme Online Awards (2020, 2017, 2013 und 2011). Es erreicht Hörerinnen und Hörer unter anderem über eine responsive Webseite, mobile Apps und Anwendungen für Smartspeaker.