Einleitung

Rassismus sowie Gleichbehandlung und Gleichberechtigung von Personen mit Migrationserfahrung sind auch in der postmigrantischen deutschen Medienlandschaft ein aktuelles Thema.  Postmigrantisch meint hier eine Gesellschaft, die von Einwanderung geprägt ist, sich selbst per Definition als Einwanderungsgesellschaft bezeichnet und in der Migrant:innen und die nachfolgenden Generationen die Themen und Probleme diskutieren können, die nach der Migration innerhalb des Landes aufgetreten sind. Das Präfix „post-“ impliziert weiter, „dass man eine gesellschaftlich etablierte und zunehmend defizitär konstruierte Unterscheidungs-kategorie – nämlich das Migrantische – zur Erklärung von gesellschaftlichen Ungleichheitsverhältnissen hinter sich lassen will.“ (Foroutan 2016, S. 230f.). Dass es das Problem Rassismus aktuell innerhalb dieser postmigrantischen Gesellschaft gibt, muss nicht diskutiert werden (vgl. Männlein 2020, S. 20ff.; Ransiek 2018). Ein aktuelles Beispiel für das Reproduzieren von Rassismen ist beispielsweise die Fernsehsendung „Die letzte Instanz“ (WDR). Genauer geht es um die Folge vom 30.11.2020, in der vier Personen der Mehrheitsgesellschaft mit einem Weißen Moderator ohne Migrationserfahrung unter anderem darüber debattieren ob „[d]as Ende der Zigeunersauce“ ein notwendiger Schritt sei (vgl. Zentralrat deutscher Sinti und Roma 2021, o.S.). Auch die Darstellung und Medienauftritte von Menschen mit Migrationshintergrund oder nicht-Weißer Personen ist in der deutschen Medienlandschaft sowohl vor als auch hinter der Kamera nicht annähernd repräsentativ für die deutsche Gesellschaft (vgl. Ratković 2019, S. 148f.; Neue deutsche Medienmacher*innen 2020, S. 3ff.).

Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk hat den Anspruch „die Würde des Menschen sowie die sittlichen, religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen anderer zu achten. [Die Rundfunkprogramme] sollen […] auf ein diskriminierungsfreies Miteinander hinwirken.“ (§51 MStV, Abs. 1). Um das genannte „diskriminierungsfreies Miteinander“ zu erreichen, sind unter anderem drei Aspekte ausschlaggebend: Erstens Diversität sowie Gleichberechtigung und Gleichbehandlung vor der Kamera, zweitens Diversität sowie Gleichberechtigung und Gleichbehandlung hinter der Kamera und drittens antirassistische Formate und Inhalte. Diese drei Aspekte sind nicht immer trennscharf und bedingen sich teilweise gegenseitig.

Die Diversität und Gleichberechtigung vor der Kamera umfasst einerseits Aspekte wie Moderator:innen, Journalist:innen, Gäste und Expert:innen innerhalb von Diskussions-, Nachrichten- und Unterhaltungsformaten, aber auch Schauspieler:innen, die in Film- und Fernsehproduktionen häufig für stereotype Rollen gecastet werden (vgl. Assmann 2020, o.S.). Der MDR hat sich dazu im letzten Jahr (2020) zum ersten Mal am deutschen Diversity-Tag beteiligt. Die Intendantin des MDR sagt zu dem Motto „Stark durch Vielfalt“: „Vielfalt definieren wir als besonderen Wert und zentralen Grundstein für das Gemeinwohl.“ (MDRpresse 2020, o.S.). Der WDR hat den Aspekt der Vielfalt beispielsweise innerhalb des Programmauftrags festgehalten: „Im Programm soll […] der kulturellen Vielfalt des Sendegebiets […] und den Belangen der Bevölkerung einschließlich der im Sendegebiet lebenden Menschen mit Migrationshintergrund Rechnung getragen werden.“ (§4 WDR-Gesetz, Abs. 3). Des Weiteren haben alle ARD-Landesrundfunkanstalten die Charta der Vielfalt unterschrieben (vgl. ARD Kommunikation 2020, o.S.). Diese besagt unter anderem, dass Diversität als Querschnittsthema gesehen werden muss, welches sich innerhalb der Organisationen (Unternehmen etc.) auf alle Bereiche bezieht. Somit auch die Mitarbeiter:innen vor der Kamera, Gesprächspartner:innen etc. (vgl. Charta der Vielfalt e.V. 2019, S. 9).

Auch die Diversität und Gleichbehandlung hinter der Kamera, also in Redaktionen, bei Entscheidungsträger:innen, Produktionsteams usw., werden von dem oben genannten Aspekt der Diversität als Querschnittsthema innerhalb der Charta der Vielfalt inkludiert. Zu der Förderung von Vielfalt hinter der Kamera schreibt die ARD in ihrem Nachhaltigkeitsbericht 2019, sie fördere „die Vielfalt und berufliche Chancengleichheit ihrer Mitarbeiter*innen unabhängig von Geschlecht, kultureller, ethnischer oder sozialer Herkunft, Religion, Weltanschauung, Alter, sexueller Orientierung, geschlechtlicher Identität oder Behinderung. Dies beginnt schon bei der Auswahl von Auszubildenden und Volontär*innen.“ (ARD 2020, S. 83). Die Quote der in diesem Jahr ausgewählten WDR-Volontär:innen „mit Migrationshintergrund“ liegt laut der WDR-Integrationsbeauftragten Krtalic bei 38% (vgl. Schyma 2020, o.S.). Darüber hinaus gibt es innerhalb der meisten ÖR-Rundfunkanstalten zuständige Mitarbeiter:innen für das Thema Diversität, kulturelle Vielfalt und/oder Gleichstellung (vgl. ARD 2019, o.S.).

Um dem Problem des strukturellen Rassismus vorzubeugen sind neben den beiden genannten Aspekten Gleichbehandlung und -berechtigung vor sowie hinter der Kamera auch die Inhalte relevant. Um nicht den eigenen Grundsätzen zur Förderung eines diskriminierungsfreien Miteinanders (s.o.) zu widersprechen, müsste der ÖRR das feste Ziel haben nicht selbst rassistische Inhalte zu veröffentlichen bzw. Rassismen zu reproduzieren. Statuten, die festlegen, dass gesendete Inhalte antirassistisch sein sollen, gibt es allerdings innerhalb des ÖRR nicht. Dass es in Deutschland allerdings möglich ist, sich in Bezug auf Diversität bei Inhalten beispielsweise mittels Selbstverpflichtung weiter zu entwickeln, zeigt die UFA, die auch für den ÖRR produziert. Die UFA hat als erstes deutsches Unterhaltungsunternehmen eine Selbstverpflichtung veröffentlicht, in der unter anderem festgelegt wird, dass bis 2024 die Diversität der Gesellschaft innerhalb ihrer Medienproduktionen abgebildet werden soll. Als Orientierung wird dabei der Zensus der Bundesregierung genutzt (vgl. UFA 2020, o.S.). Aber auch innerhalb des Staatsvertrags für Rundfunk und Telemedien steht in den allgemeinen Grundsätzen, dass die Rundfunkprogramme „in ihren Angeboten die Würde des Menschen zu achten und zu schützen“ haben sowie „dazu beitragen [sollen], die Achtung vor Leben, Freiheit und körperlicher Unversehrtheit, vor Glauben und Meinungen anderer zu stärken.“ (§3 MStV, Abs. 1). Auch dieser Grundsatz ist nicht mit rassistischen Inhalten vereinbar.

Innerhalb des Seminars „Kommunikation in der postmigrantischen Gesellschaft: Strukturen, Akteure, Formate“ entstand das vorliegende Projekt „Der ÖRR im postmigrantischen Deutschland: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit“. Hierbei wird sich speziell mit der Diskrepanz zwischen den Normen und Regeln, also sowohl den selbstgewählten Ansprüchen des ÖRR (z.B. extra eingesetzte Mitarbeiter:innen für Themen wie Diversität innerhalb der ARD), als auch mit gesetzlichen Vorgaben (die z.B. im Rundfunkstaatsvertrag festgelegt sind) und der aktuellen Praxis im ÖRR beschäftigt. Dafür wurde ein Video produziert, in welchem beispielhaft aufgezeigt wird, dass es durchaus noch einige Veränderungen bedarf, um die drei oben genannten Aspekte in das alltägliche Programm und die Arbeit des ÖRR zu inkludieren und somit einen Schritt weiter in die Richtung einer diskriminierungsfreien Medienlandschaft in unserer postmigrantischen Gesellschaft zu gehen. Der folgende Begleittext zum Video soll einige Aspekte genauer in gesellschaftliche und theoretische Konstrukte einordnen (s.u.: Video „Anspruch & Wirklichkeit“).

Anspruch I: Diversität sowie Gleichberechtigung/Gleichbehandlung vor der Kamera

Ebenso wie die ARD hat auch das ZDF die oben genannte Charta der Vielfalt unterschrieben. Dementsprechend verwundert es, wie das ZDF 2018 innerhalb seiner Live-Berichterstattung zur Hochzeit von Meghan Markle und Prinz Harry über die Braut berichtet. Markle wird vor allem ihr Schwarz-Sein als Attribut zugeschrieben und auf ihre „afroamerikanische Herkunft“ reduziert. So sei sie laut eines Sprechers „exotisch“ und bringe, wie seine Kollegin weiter formuliert „afroamerikanischen Esprit“ in das britische Königshaus. Auch sei es für Großbritannien gar nicht so untypisch, dass „die ungewöhnlichen Paarungen passieren“ und da „die beiden ja niemals König und Königin werden“, könne man sich ja auch ein so „exotisches Paar leisten“. Neben dieser Aussage impliziert auch die nachfolgende Frage, ob die Hochzeit der beiden etwas sei, dass „Großbritannien erschüttert“ habe, dass es schließlich nicht normal bzw. gar ein Skandal sei, wenn eine PoC (Person of Color) einen britischen Prinzen heiratet. Markle wird so in der Berichterstattung aufgrund ihres Schwarz-Seins gegenüber dem ansonsten Weißen britischen Königshaus als anders dargestellt. Dieser Umgang mit Personen, die von Diskriminierung betroffen sind, wird mit dem Begriff Othering beschrieben. Unter Othering versteht man die „VerAnderung“ (Reuter 2002, S. 20) oder „Fremd-Machung“ (Shimada 2007, S. 117) von Menschen(-gruppen) - also die (strategische) kontrastierende Darstellung des Eigenen gegen das Fremde, durch die eine konstruierte Fremdheit (re-)produziert und gefestigt wird (vgl. Reuter 2002, S. 146). Auch, wenn es heute wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Konsens ist, dass es keine menschlichen „Rassen“ gibt, werden durch Othering Unterschiede zwischen Menschen(-gruppen) konstruiert, die weiterhin schon bestehende Machtkonstruktionen rechtfertigen und eine Auflösung der sozialen Praxis des Rassismus stärkt.

Ein weiterer Aspekt innerhalb der Berichterstattung über die royale Hochzeit ist die Intersektionalität. Dieser Begriff beschreibt die Wechselwirkung verschiedener Diskriminierungsformen, wie beispielsweise Behinderung, Sexualität/Heteronormativität, Geschlecht, Ethnizität oder soziales Milieu (vgl. Simon 2018, o.S.). Markle wird neben ihrer bzw. der Herkunft ihrer Mutter auch aufgrund ihres Frau-Seins diskriminierend beschrieben. Ein Berichterstatter formuliert dazu „eine solche Frau, die hat man sich früher als Mätresse gehalten“. Auch die misogyne Aussage, Markle sei anders, weil sie älter als ihr Partner ist, selbst etwas geleistet habe und eben „afroamerikanische Wurzeln“ habe, weist auf Intersektionalität hin. Diese setzt sich aus drei Aspekten zusammen: Erstens, wird durch die Betonung, Markle sei älter als ihr Mann (übrigens knapp drei Jahre), das heteronormative soziale Konstrukt betont, dass innerhalb von Partnerschaften ein Mann der ältere sein müsse (Geschlecht). Zweitens betont die Aussage „sie hat selber irgendwie etwas geleistet aus eigener Kraft“, dass Markle aus einer „bürgerlichen Schicht“ kommt (soziales Milieu) und drittens wird auch hier wieder durch die Überkonnotierung der „Herkunft“ der Mutter der Aspekt der Ethnizität hervorgehoben.

Auch die Sendung „Die letzte Instanz“ (s.o.) ist in Bezug auf Repräsentation vor der Kamera kein Positivbeispiel. In dieser Folge der Sendung wird die Frage gestellt, ob "das Ende der Zigeunersauce" ein notwendiger Schritt sei. Problematisch ist dabei, dass über rassistisch geprägte Begriffe bzw. deren Abschaffung diskutiert wird, ohne dass Vertreter:innen der marginalisierten Gruppen mitdiskutieren oder bloß zu Wort kommen dürfen.

Den von Rassismus betroffenen Personen wird von den Anwesenden z.B. abgesprochen, sich überhaupt ausgegrenzt oder gar beleidigt fühlen zu dürfen. So sagen zwei der Gäste, dass sie viele Betroffene kennen, denen es ganz egal sei, wenn die Mehrheitsbevölkerung rassifizierende Begriffe nutzen würde. Sie argumentieren, dass solche Aussagen, ebenso wie die Diskussion um den Soßen-Namen, nicht böse bzw. rassistisch gemeint sind und sie selbst somit ja gar nicht rassistisch sein können. Dies ist allerdings kein stichhaltiges Argument, wenn man bedenkt, dass rassistisch konnotierte Begriffe, egal in welcher Absicht sie benutzt werden, eine reale Auswirkung auf gesellschaftliche Strukturen haben, indem sie strukturellen Rassismus festigen (vgl. Albrecht 2017, S. 6f.; Weiß 2013, S. 190ff.). Zwar wird innerhalb der Sendung der Zentralrat der Sinti und Roma zitiert, dass der bis dato verwendete Begriff eine "von Klischees überlagerte Fremdbezeichnung" sei, aber es wurde keine direkt von Ziganismus betroffene Person eingeladen, um über dieses Thema zu diskutieren. Hätte eine solche Person an der Diskussion teilgenommen, hätte sie auf die Behauptung, "dass das ja wohl nur zwei bis drei Personen stören würde, die eh nichts Besseres zu tun hätten" vermutlich direkt und fundiert (aus einer persönlichen Perspektive) reagieren können. Stattdessen wirkt die ganze Sendung wie ein Stammtisch, bei dem offen populistische Meinungen formuliert und ohne Gegenrede oder gar Gegenargumente stehen gelassen werden. Sie widerspricht also den oben genannten Normen des ÖRR bezüglich des Anspruchs, „auf ein diskriminierungsfreies Miteinander hinzuwirken“ (§51 MStV, Abs. 1).

Anspruch II: Diversität sowie Gleichberechtigung/Gleichbehandlung hinter der Kamera

Wie in den bereits genannten Beispielen fehlt es auch in anderen Talkshows an einer diversen Repräsentation vor der Kamera, beispielsweise in der Sendung „Maischberger. Die Woche“. Hier wurde in der Folge vom 03.06.2020 unter anderem über den Tod von George Floyd bzw. die nachfolgenden Proteste in den USA berichtet. Auch hier ist keine PoC als Studiogast eingeladen worden. Allerdings wurde eine Schwarze US-amerikanische Wissenschaftlerin im Rahmen eines „Last-Minute-Gedankens

“ eingeladen, die insgesamt zwei Fragen per Video-Fernschalte beantworten durfte (vgl. Lichtblau 2020, o.S.). Wie oben beschrieben sind die Redaktions- und Produktionsteams von TV-Formaten in Deutschland nicht sehr divers (Neue deutsche Medienmacher*innen 2020, S. 9ff.). Die Redaktion von „Maischberger“ bildet hierbei offenbar keine Ausnahme. Auch wenn man anhand von Fotos und Namen selbstverständlich nicht sicher davon ausgehen kann, dass Personen keine Migrations- und/oder Rassismuserfahrung gemacht haben, ergaben Online-Recherchen keinen Hinweis dahingehend, dass das Team der Redaktion und Produktion von „Maischberger. Die Woche“ divers aufgestellt zu sein scheint (vgl. Angaben zur Redaktion unter: www.daserste.de/information/talk/maischberger/service-und-kontakt/index.html; vgl. Angaben zur Produktion unter: vincent-tv.com/ueber-uns/team/). Die fehlende Diversität hinter der Kamera spiegelt sich also auch vor der Kamera wider und umgekehrt.

Ein weiteres Beispiel für strukturelle Benachteiligung hinter der Kamera ist in dem Bereich Filmförderung zu erkennen. Auch wenn Filmförderungen meist nicht direkt und/oder exklusiv mit öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zusammenarbeiten, prägen sie die deutsche Film- und somit auch Fernsehlandschaft maßgeblich mit. Umgekehrt fördert auch der ÖRR, z.B. über die Filmförderungsanstalt (FFA), Lang- und Kurzfilme, Drehbuchentwicklungen, Kinos etc. Schaut man sich die Entscheidungsträger:innen einiger deutscher Filmförderungen an, fällt wieder auf, dass Namen und Fotos darauf hindeuten, dass die Personen überwiegend der Weißen deutschen Mehrheitsgesellschaft angehören (vgl. Angaben zu den Mitarbeiter:innen beispielsweise bei der Mitteldeutschen Medienförderung (MDM), Creative Europe Desk, Medienboard Berlin Brandenburg und der FFA). Auch hier gilt aber selbstverständlich: Das Aussehen und die Namen geben keinen sicheren Hinweis dahingehend, dass die Personen keine Migrations- bzw. keine Rassismuserfahrung haben oder PoC sind. Studien zeigen allerdings, dass die Strukturen in der gesamten Medienlandschaft kaum Diversität vorweisen, also ist anzunehmen, dass dies ebenso die Filmförderungen miteinschließt (vgl. Neue deutsche Medienmacher*innen 2020, S. 40ff.). Ein Problem dabei ist, dass sich die Personalstruktur homogen gestaltet, also Menschen eher Personen einstellen, die ihnen selbst ähnlich sind. Gerade in überwiegend Weißen und patriarchal geprägten Gesellschaften haben es PoC und/oder nicht-männliche Personen deshalb schwer Führungs- oder Entscheidungspositionen zu erreichen (vgl. AllBright 2019, S. 8f.; Sheltzer & Smith 2014, S. 3). Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass dieser Effekt auch innerhalb der Filmförderung auftritt und Filme von Menschen mit Migrationshintergrund, PoC usw. weniger häufig gefördert werden. Die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein (FFHSH) hat  Fragenkataloge für Antragstellende entwickelt, um auf ein inklusiveres Zusammenleben durch „die Abbildung einer vielfältigen, multikulturellen […] Gesellschaft ohne Diskriminierung auf Grund von Alter, Aussehen, Behinderung, Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft, Religion oder Weltanschauung, sexueller Identität oder sozioökonomischem Status“ hinzuwirken (Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein GmbH 2020, S. 1). In Bezug auf antirassistische Aspekte wird z.B. abgefragt, ob Themen wie „Migration und Vertreibung“, „Hautfarbe bzw. People of Color“, oder auch „religiöse oder weltanschauliche Fragen“ innerhalb des Projektes aufgegriffen werden, aber z.B. auch, wie klischeehafte Rollenbilder vermieden werden sollen (vgl. ebd., S. 2).

Anspruch III: politisch korrekte/antirassistische Inhalte

Apropos klischeehafte Rollenbilder: Auch die Satiresendung „heute show“, die sich klar gegen rechte Parteien wie die AFD und (theoretisch auch) rassistische Äußerungen positioniert (vgl. heute show vom 06.06.2020), hat Probleme, ihre eigenen Ansprüche zu erfüllen. Ein Beispiel hierfür ist die Folge vom 14.09.2018. Innerhalb eines Beitrages zu Verschwörungsideolog:innen wird die Erzählung formuliert, Merkel habe kenianische Wurzeln. Um das zu unterstreichen wird ein Bild gezeigt, auf dem die Bundeskanzlerin einem Schwarzen Würdenträger die Hand schüttelt. Text und Bild suggerieren so, dass die abgebildete Person Kenianer ist. Tatsächlich ist der Mann allerdings Muhammadu Buhari, Präsident von Nigeria. Es scheint, als genüge es den Verantwortlichen der Show, eine beliebige PoC zu zeigen, damit würde schon klar werden, dass es um irgendein afrikanisches Land geht. Hier scheint das Vorurteil zum Tragen zu kommen „Schwarze Menschen sehen alle gleich aus“, womit die heute show klar Rassismen reproduziert (Burdairon & Py 2002, S. 10f.). Des Weiteren beteiligte sich die „heute show“ auch an der rassistisch konnotierten Berichterstattung über Corona „die durch diskriminierendes und kulturalisierendes Framing und/oder mehrdeutige, stereotypisierende, klischeebeladene und unsachliche Text-Bild-Verknüpfungen anti-asiatischem Rassismus Vorschub leisten.“ (korientation 2020, o.S.).

Ein weiteres Negativ-Beispiel ist die Sendung "Volle Kanne" vom 12.11.2019 im ZDF, in welche die YouTuberin Hazel eingeladen wurde. Die Website der Sendung veröffentlichte allerdings in der Ankündigung dieser Folge nicht das Bild von Hazel, sondern ein Foto der ebenfalls auf YouTube aktiven Wissenschaftsjournalistin Mai Thi. Abgesehen davon, dass sie beide auf YouTube aktiv sind, haben beide Eltern, die aus Vietnam stammen.

Die Beispiele aus "heute show" und "Volle Kanne" sind beide mit dem Cross-Race-Bias zu erklären. Dieser beschreibt das Phänomen, dass Menschen eine schlechtere Wiedererkennungsleistung bei Gesichtern haben, die nicht ihrer eigenen, bzw. gewohnten „Ethnie“ entsprechen, wodurch das im letzten Beispiel genannte Vorurteil „‘die‘ sehen alle gleich aus“ verstärkt wird (vgl. Bernstein et al. 2008, S. 260). Diesem Effekt wirkt einerseits eine Sensibilisierung in Bezug auf Rassismus entgegen sowie Kontakt zu anderen “Ethnien” (vgl. Burdairon & Py 2002, S. 11; Rhodes et al 2009, S. 724). Personen, die sich also mit Rassismus auseinandersetzen und sich dem genannten Phänomen bewusst sind, wirken alleine dadurch dem Effekt entgegen.

Hazel hat nach dieser Erfahrung ein Video gepostet, in dem sie formuliert, dass dieses Erlebnis sehr verletzend für sie war und sie bis dato keine Entschuldigung für diese rassistisch wirkende Verwechslung bekommen hat. Ein solcher Umgang mit Gästen innerhalb eines ÖRR-Servicemagazins widerspricht dem Anspruch, „in ihren Angeboten die Würde des Menschen zu achten und zu schützen“ (§3 MStV, Abs. 1).

Gegen beinahe alle Normen und Regeln, die sich der ÖRR selbst gesetzt hat (s.o.) verstößt das Blackfacing. Blackfacing bedeutet, dass sich nicht-Black, Indigenous, People of Color (BiPoC’s) mit Farbe das Gesicht und tlw. weitere Teile des Körpers anmalen und dadurch eine BiPoC darstellen wollen. Ein Ursprung dieser Art der Darstellung sind die „Minstrel Shows“ der 1700er und 1800er Jahre in den USA. Dabei wurden Afroamerikaner:innen bzw. ihre Sprache und Kultur von schwarz angemalten Weißen Menschen „karikiert“ bzw. rassistisch und stereotyp dargestellt (vgl. Behrendt 2020, o.S.). In Deutschland ist das Thema Blackfacing spätestens seit 2012 im öffentlichen Diskurs. Damals wurde die Diskussion durch Plakate für das Theaterstück „Ich bin nicht Rappaport“ in Berlin einmal mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Daher ist anzunehmen, dass seitdem auch Personen, die sich nicht aktiv mit Anti-Rassismus auseinandersetzen, wissen, dass Blackfacing eindeutig als rassistisch markiert ist. (vgl. ebd.). Dennoch "verkleidete" sich Guido Cantz 2016 für die Sendung "Verstehen Sie Spaß" im SWR als PoC. Obwohl die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) schon im Vorfeld forderte die Ausstrahlung zu unterlassen, wurde diese Folge von „Verstehen Sie Spaß?“ im Fernsehen ausgestrahlt (vgl. ISD Bund e.V., o.S.). Ganz in der Tradition der „Minstrel Shows“, wurde auch hier mit stereotypen Darstellungen gearbeitet. So formte man Cantz in der Maske unnatürlich dicke Lippen und gab seiner Figur in der Darstellung zusätzlich einen stereotypen Akzent und ein naiv-dümmliches Gebaren.

Fazit

Innerhalb dieses Projektes kann nur beispielhaft auf die aktuellen Unzulänglichkeiten innerhalb des ÖRR bezüglich Antirassismus, Gleichberechtigung und Gleichbehandlung vor- sowie hinter der Kamera eingegangen werden. Mittels des Videos und dem beigefügten Text wird deutlich, wie weit Anspruch und Wirklichkeit bei diesen Themen noch auseinander liegen. Dass sich die Rundfunkanstalten theoretisch bemühen, wird durch das Unterschreiben der Charta der Vielfalt, das Benennen von Diversität-Beauftragten und das bewusste Einstellen von Volontär:innen „mit Migrationshintergrund“ deutlich (s.o.). Dass struktureller und alltäglicher Rassismus innerhalb der ÖR-Medien ein Problem ist, wird wiederum durch die Beispiele ersichtlich. Rassismus ist kein alleiniges Problem der Medien, sondern ein gesamtgesellschaftliches, welches sich in den Medien nur besonders öffentlich erkennen lässt. Auch können Darstellungen in den Medien dazu beitragen, dass stereotype Rollen mehr oder weniger gezeigt und Rassismen (nicht) weiter reproduziert werden (vgl. Gouma 2020, S. 55ff.). Ein Schritt um dies zu verhindern könnte sein, dass mehr Mitarbeiter:innen mit Migrationserfahrung, diversen Religions(un)zugehörigkeiten oder unterschiedlicher „Herkunft“ eingestellt werden, um eingefahrene Strukturen, die die oben genannten Beispiele erst möglich gemacht haben, aufzubrechen (vgl. Neue deutsche Medienmacher*innen 2020, S. 54f.). Dafür reicht es allerdings nicht, nur einen gewissen Anteil Menschen mit Migrationshintergrund einzustellen oder eine:n Mitarbeiter:in als „Diversity-Beauftragte:r“ zu benennen. Die Studie der Neuen deutschen Medienmacher:innen empfiehlt breiter aufgestellte und tiefergehende Veränderungen auf verschiedenen Ebenen, wie z.B., dass „[d]ie Schulung von Kompetenzen zur kultursensiblen Berichterstattung [..]integraler Bestandteil der journalistischen Ausbildung sein“ sollte (ebd., S. 55).

Anspruch und Wirklichkeit

Quellen