Celine Dorrani, Franziska Pfeiffer und Julia Weinhuber

Die Problematik der Partizipation an den Medien

Über ein Viertel der Menschen, die in Deutschland leben, wurden selbst, oder mindestens eines ihrer Elternteile, nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren (Statistisches Bundesamt 2020). Bei der in den folgenden Ausführungen genutzten Bezeichnung Menschen “mit Migrationshintergrund” liegt der Fokus dabei auf Personen, die damit einhergehende rassifizierte Migrationserfahrungen gemacht haben.

Bisherige Untersuchungen zum Anteil von Personen mit Migrationshintergrund unter den Journalist*innen in Deutschland seien zu alt oder lückenhaft (Boytchev, Horz & Neumüller 2020, S. 8). Eine Schätzung von Pöttker et al. aus dem Jahr 2016 geht jedoch von vier bis fünf Prozent aus (Pöttker, Kiesewetter & Lofink 2016, S. 15). Einerseits sind Menschen mit Migrationshintergrund somit nicht selbst mit repräsentativem Anteil als Journalist*innen tätig, andererseits sollten sie in der Berichterstattung angemessen vertreten werden. Darüber, wie über Menschen mit Migrationshintergrund berichtet wird, gibt es jedoch folgende Erkenntnisse: Eine Untersuchung von Fernsehsendern und Tageszeitungen zeigte, dass über Menschen mit Migrationshintergrund häufig auf eine negative und stereotypisierende Weise berichtet wird (Pöttker, Kiesewetter & Lofink 2016, S. 13). Hervorgehoben werden in der Berichterstattung beispielsweise Gewalttaten oder Rechtsverstöße (Hestermann 2020, S. 11). Außerdem kommen Menschen mit Migrationshintergrund selten selbst zu Wort oder werden als große anonyme Gruppe beschrieben (Hestermann 2020, S. 11; Fengler & Kreutler 2020, S. 4). Sie werden somit nicht angemessen und realitätsnah in den Medien repräsentiert.

Um die Vielfalt der Gesellschaft wiederzugeben, ist die Teilhabe von allen Gruppen an der öffentlichen Kommunikation notwendig. Damit können alle Sichtweisen zugänglich gemacht werden, was wiederum Voraussetzung für wechselseitigen Respekt ist und mehr Identifikation für Menschen mit Migrationshintergrund ermöglicht (Pöttker, Kiesewetter & Lofink 2016, S. 13f.).

Dass häufig über gesellschaftliche Gruppen berichtet wird, ohne dass sie persönlich ihre Sicht darlegen können, kann zu Gefühlen der Ausgrenzung und Benachteiligung führen und dazu, dass Personen dieser Gruppen sich verunsichert und unverstanden fühlen. Daraus können Brüche in der Gesellschaft entstehen, deren Aushandlung auch Aufgabe der Medien sei (Prinzing 2018, S. 105).

Das Mediensystem muss sich demnach auf die Veränderungen durch erfolgte Migration einstellen. Eine Möglichkeit auch Menschen mit Migrationshintergrund zu repräsentieren wäre, einen repräsentativen Anteil an Journalist*innen in den Medien zu schaffen. Dies könnte außerdem ein erster Schritt für mehr Identifikation sein. Beim öffentlich rechtlichen Rundfunk (im Folgenden ÖRR), großen Zeitungen oder anderen “etablierten” Medien bestehen für Menschen mit Migrationshintergrund jedoch Zugangsbarrieren unter anderem aufgrund von Diskriminierung, Rassismus oder Chancenungleicheit. Und selbst wenn eine Person mit Migrationshintergrund dort arbeitet, sind die freie Themenwahl und Perspektiven weiterhin durch Diskriminierung und Rassismus eingeschränkt und könnten bei fehlender Repräsentation auch in Zukunft eingeschränkt bleiben. Eine andere Möglichkeit am Mediensystem zu partizipieren, ist die Entwicklung eigener Medienangebote (Europäische Kommission 2009).

Podcasts als alternative Medienangebote

Aufgrund der Problematik der fehlenden Identifikation und Repräsentation in den etablierten Medien haben sich bereits einige alternative Medienangebote entwickelt, mit denen sich Menschen mit Migrationshintergrund vertreten und gehört fühlen können. Parvand (2010) formuliert dazu: „Der Druck von außen muss wachsen. Die Politik, Vereine, [Journalist*innen] und vor allem die [Einwander*innen] selbst müssen das Wort ergreifen und hier auf Veränderungen pochen!“ (S. 42). Um sich dieses Gehör zu verschaffen, können neue Medienformate wie Podcasts genutzt werden.

Das Podcasting, speziell Podcasts produziert von Menschen mit Migrationshintergrund, als alternatives Medienformat bietet professionellen Journalist*innen sowie Laien die Möglichkeit, ohne festgelegten Rahmen oder Zielgruppe und barrierefrei über selbstgewählte Themen zu sprechen bzw. zu informieren (Das Sendezentrum 2019, ab 10:27). Schubladendenken soll aufgebrochen werden (Das Sendezentrum 2019, ab 15:35) und den Produzierenden und ihren Hörer*innen werden neue „safe spaces“ bzw. Gesprächsräume zur Verfügung gestellt (Das Sendezentrum 2019, ab 11:10).

Das Schaffen neuer Formate und der damit einhergehende Wandel der klassischen Medienlandschaft, wie man sie aus dem ÖRR kennt, können zu neuen Öffentlichkeitsformen führen. Die dabei entstehenden Teilöffentlichkeiten, wie es der Podcast ist, können der sonst dominierenden traditionellen Medienöffentlichkeit entgegen lenken und deren Bedeutung in Gesellschaft und Politik schmälern (Donges 2020, S.296). Als Teilöffentlichkeiten werden Formate bezeichnet, die trotz bestimmter Zielgruppen „[…] nach wie vor in den massenmedialen Mainstream eingebettet stattfinde[n]“ (Weber et al. 2009, S. 85). 

Der Podcast und seine von ihm geschaffenen Teilöffentlichkeiten bieten durch geringe Barrieren bezüglich Kosten, Zugang und Nutzbarkeit für Produzent*innen sowie Nutzer*innen ein neues partizipationsorientiertes Medienmodell (Barber 1994, 2004 nach Martinsen 2009, S. 58).

Wie sieht eine ideale (Medien-)Öffentlichkeit für Podcasts aus?

Es kann zwischen vier Idealmodellen von Öffentlichkeit unterschieden werden: Dem liberalen Modell, dem deliberativen Modell, dem partizipatorischen Modell und dem konstruktionistischen Modell. Für die hier vorgestellten Podcasts sind besonders das partizipatorische und das konstruktionistische Modell relevant (für weitere Informationen zu den anderen Modellen siehe Donges 2020). 

Bei dem partizipatorischen Modell von Öffentlichkeit sollen so viele verschiedene Menschen wie möglich bei allen Angelegenheiten, die sie persönlich betreffen, in Entscheidungen einbezogen werden. So sind möglichst verschiedene Lebenswelten vertreten und nehmen kontinuierlich am öffentlichen Diskurs teil (Martinsen 2009, S. 56). Hier geht es vorrangig um Empowerment, also dass vor allem marginalisierte Gruppen, die bisher wenig zu Wort kommen, in der Öffentlichkeit repräsentiert werden und ihre Interessen in den öffentlichen Diskurs einbringen können. So können diese Gruppen selbstbestimmt die Kontrolle über ihre Darstellung übernehmen (Donges 2020, S. 289f.). 

Darum werden hier Medien vor allem dazu eingesetzt, marginalisierten Gruppen eine Stimme zu geben und diese auch in den Medien mehr zu repräsentieren. Dabei handelt es sich nicht nur um professionelle Medien, sondern auch um von Laien produzierte Medien(-inhalte) wie den partizipativen Journalismus.

Die Inhalte können verschiedene Stile haben, sie können an klassisch professionelle Medien erinnern oder erfahrungsbasiert und emotional aufgeladen sein. Auch stark vereinfachte Beiträge in Alltagssprache sind dabei wichtig, um zudem Menschen zu erreichen, die sich sonst nicht für politische Themen interessieren. Zusammenfassend sollen die Medien hier also Brücken zu anderen Teilöffentlichkeiten schlagen, das sogenannte Bridging (Donges 2020, S. 290-292).

Auch der zentrale Wert des konstruktionistischen Modells von Öffentlichkeit ist das Empowerment. Hier geht es jedoch nicht darum, Einfluss auf die gesamte Öffentlichkeit zu nehmen, sondern eigene Teilöffentlichkeiten zu bilden und innerhalb dieser Gruppen unter sich zu bleiben. Im Gegensatz zu dem partizipatorischen Modell sind also nicht die Partizipationsmöglichkeiten an der Öffentlichkeit zentral, sondern die Ausdrucksmöglichkeit innerhalb der einzelnen Gruppen. Das konstruktionistische Modell betont darüber hinaus die Anerkennung der Gruppe. Hier geht es außerdem darum, die Position dieser Gruppe innerhalb der Gesellschaft zu fördern (Donges 2020, S. 290-294).

Für diese Gruppenbildung und Schaffung von Anerkennung werden auch gezielt die Medien eingesetzt. Ebenso wie im partizipatorischen Modell werden hier nicht-professionell erstellte Angebote genutzt. Es handelt sich dabei aber in der Regel nicht um Medien für die breite Medienöffentlichkeit, sondern um themen- und gruppenspezifische Medien für die einzelnen Gruppen. Häufig sind diese nicht allgemein zugänglich oder erfahren keine große Aufmerksamkeit von anderen Gruppen. Innerhalb dieser Medien geht es vor allem um Selbstartikulation und die Selbstorganisation der Gruppe. Es geht darum, innerhalb der Gruppe ins Gespräch zu kommen und sich über verschiedene Themen auseinanderzusetzen. Ziel ist hier kein Konsens, sondern persönliche Erfahrungen auszutauschen und dass verschiedene Mitglieder dieser Gruppe ihre Gefühle und Gedanken artikulieren können. Daher ist der Stil hier oft erzählend, emotional und kreativ (Donges 2020, S. 292-295).

Zusammenfassend geht es hier also darum, gesellschaftliche Minderheiten einzuschließen und den Zusammenhalt innerhalb der Gruppe zu stärken und so einen Safe-Space zu schaffen, in dem sich die Betroffenen austauschen können. Diese verbindende Funktion wird auch Bonding genannt (Donges 2020, S. 290-293).

Sind postmigrantische Podcasts die Lösung für mehr Teilhabe in den Medien?

Postmigrantische Medien sind alternative Medien, die Medienmacht sichtbar machen und marginalisierte Gruppen in Medienproduktion mit einbeziehen wollen. Durch Gegenerzählungen in postmigrantischen Medien soll eine alternative Repräsentation von Migration geschaffen werden (Ratković 2019, S. 152). Außerdem sprechen postmigrantische Medien keine einzelne Community an, sondern die gesamte Gesellschaft. Die Bezeichnung postmigrantische Medien soll “deutlich [...] machen, dass es sich bei diesen um eine neue Art von Medien mit einem neuen Selbstverständnis handelt” (Ratković 2018, S. 10).

Im Folgenden werden zwei Podcasts genauer vorgestellt, die sich als postmigrantische Medien einordnen lassen. Beide Podcasts werden “von jenen Gruppen von [Menschen mit Migrationshintergrund] produziert [...], denen sowohl in öffentlichen Diskursen als auch in der Mainstream-Migrationsforschung nach wie vor unterstellt wird, gerade sie hätten Probleme mit ihrem ›Status‹ als ›Migrant_innen‹” (Ratković 2018, S. 66). In diesen beiden “postmigrantischen Podcasts” (im Folgenden PMPs) wird mehrheitlich bzw. ausschließlich deutsch gesprochen. Dazu sind sie für die breite Öffentlichkeit zugänglich. Damit richten sich die Podcasts nicht nur an eine mögliche “eigene” Community, sondern auch an Personen, die nicht Teil dieser Community sind (Ratković 2018). Zuletzt thematisieren die Podcasts zentral Migration, wobei sie Migration als ›Normalität‹ darstellen und sämtliche Lebensbereiche ›migrantisieren‹, etwa indem sie aufzeigen, dass Migration in unterschiedlichsten Bereichen eine Rolle spielt” (Ratković 2018, S. 11).

Wie sehen postmigrantische Podcasts in der Umsetzung aus?

tupodcast

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Der Podcast tupodcast wird von der Anti-Rassismustrainerin, Aktivistin und Autorin Tupoka Ogette moderiert. Bei der Produktion wird sie von ihrem Mann Stephen Lawson unterstützt. Ogette hat ein weißes Elternteil und ein Elternteil of Color, geboren und aufgewachsen ist sie in Deutschland. Zusammen mit Lawson arbeitet sie seit 2012 in der DACH Region zum Thema “rassismuskritisch denken lernen” (Ogette 2020, 0:43-1:15, 3:30-3:39). 

Den Podcast produzieren sie auf eigene Kosten und erhalten dafür kein direktes Gehalt in Form von Fördergeldern oder Kooperationen. Auch Werbung schalten sie nicht. Sie nehmen aber Spenden via Paypal oder über Steady an (Ogette o.D.).

Mit dem Podcast möchte Ogette zeigen, „wie unterschiedlich schwarze Frauen sind, was [sie] unterscheidet und was [sie] auch vereint“ (Ogette 2020, 2:55-3:01). Dazu lädt sie in jeder Folge eine Frau of Color in ihren Podcast ein, die in den unterschiedlichsten Bereichen der Gesellschaft tätig sind (z. B. Journalistinnen, Studentinnen, Politikerinnen, Psychologinnen, Musikerinnen). Gemeinsam besprechen sie verschiedene Themen, wie z. B. Schwarze Frauen in der Politik, Aktivismus, Kinder und Rassismus, Empowerment, Wut und Erfahrungen.

Schwarze Frauen in der Politik mit Aminata Touré (Ogette 2020)

Die Hauptthemen sind dabei immer Rassismus- und Sexismuserfahrungen. Ogette selbst sagt, sie alle haben gemeinsam, dass sie innerhalb eines rassistischen und sexistischen Systems leben und dabei unterschiedliche Strategien des Widerstands gegen dieses System gefunden haben. Tupodcast sieht sie als einen Ort, diesen Geschichten eine Plattform zu geben und damit viele Perspektiven abzubilden, um ein akkurateres Bild der Gesellschaft zu porträtieren (Ogette 2020, 1:30-2:32, 3:01-3:15).

In diesem Zitat wird die Communitybildung und damit das Bonding innerhalb des Podcasts deutlich. Es soll ein Zusammenhalt innerhalb der von Rassismus- und Sexismuserfahrungen betroffenen Teilöffentlichkeit geschaffen werden. Durch das Teilen der verschiedenen Perspektiven kann aber auch die Position dieser Gruppe innerhalb der Gesellschaft gefördert werden.

Der Podcast dient allerdings nicht nur der Kommunikation mit der eigenen Gruppe, sondern erfüllt auch Elemente des Bridgings, indem er sich an die gesamte Gesellschaft richtet. Ogette selbst sieht den Podcast als eine Chance dafür, dass weiße Menschen sich mit einer Diskriminierungsform auseinandersetzen, von der sie selbst nicht betroffen sind, und so Verantwortung für Rassismus übernehmen können. Dazu fordert sie Nicht-Betroffene auch in jeder Folge dazu auf, Fragen zu stellen, die dann gemeinsam mit der Gästin im Podcast beantwortet werden (Ogette 2020, 3:45-4:12). 

Der Podcast stärkt damit nicht nur die eigene Gruppe (Bonding), sondern schlägt auch eine Brücke zu anderen Teilöffentlichkeiten (Bridging). Oder wie Ogette es formuliert:

„tupodcast ist ein Podcast MIT schwarzen Frauen, aber eingeladen, den Geschichten zu lauschen, sind ALLE Menschen“ (Ogette 2020, 3:56-3:4:05).

Kanackische Welle

Der Podcast Kanackische Welle wurde von den Journalisten Malcolm Ohanwe und Marcel Aburakia mit der Motivation gegründet, dass sie sich in der Medienlandschaft nicht repräsentiert fühlten (Ohanwe & Aburakia 2020). Bei ihrer eigenen Arbeit als Journalisten konnten sie über Themen, die sie für relevant einschätzen, nicht berichten und wurden häufig unterschätzt oder fehleingeschätzt (Ohanwe & Aburakia 2020). Beide haben jeweils ein palästinensisches Elternteil und bezeichnen sich selbst unter anderem als Personen mit „Migrationsvordergrund“ (Ohanwe & Aburakia 2020). Im Podcast wollen sie ihren Diskussionsbedarf zu den Erfahrungen, die sie deswegen teilen, frei und unabhängig ausleben. Die Finanzierung des Podcasts wird nicht angesprochen, beide sind jedoch hauptberuflich im journalistischen Bereich tätig und verdienen ihren Lebensunterhalt nicht durch den Podcast. Eine finanzielle Unterstützung könnten Auszeichnungen wie der Smart Hero Award sein, den der Podcast im Jahr 2020 gewann (Smart Hero Award o.D.).

Im Podcast geht es “um Popkultur, Rassismus, Sexualität, Sport, Musik oder Gender aus einer post-migrantischen Sicht” (Ohanwe & Aburakia o.D.), zum Teil werden dafür Gesprächspartner*innen eingeladen. Diese Punkte spiegeln die Einordnung als PMP wider. Weitere Charakteristika postmigrantischer Medien werden in der Beschreibung ihrer Zielgruppe und Ziele deutlich. Sie wollen ein “alternatives Hörfunk-Angebot für Ausländer*innen und Deutsche mit Mehrfach-Identitäten” (Ohanwe & Aburakia 2020) schaffen. Damit klingt das Ziel des Bondings an, das durch das folgende Zitat weiter deutlich wird:

Sie sprechen in ihrem Podcast jedoch auch explizit nicht-migrantische Menschen an. Diese müssten lernen, die Ängste und Probleme anderer ernst zu nehmen, dafür Empathie entwickeln und ihre eigene Rolle reflektieren (Aburakia 2020). Sie richten ihren Podcast somit nicht ausschließlich an eine bestimmte Community. Im Podcast lässt sich außerdem ein konkretes Beispiel für Bridging finden: Ohanwe und Aburakia betonen, dass sie versuchen, Begrifflichkeiten zu erklären, die nicht-migrantischen Personen nicht geläufig sein könnten. Zusätzlich bieten sie an, Fragen von Rezipierenden zu beantworten, egal wie klischeehaft sie seien.

Growing Up Halb-Pali (Ohanwe & Aburakia 2018)

Insgesamt wollen sie gesellschaftliche Barrieren überwinden. “Das Ziel darf keine Parallelwelt werden, in der in der BPoCs nur noch mit BPoCs abhängen” (Aburakia 2020). Der Name “Kanackische Welle” soll verdeutlichen, dass sie sich als eine Bewegung sehen, die über den Podcast hinausgeht (Ohanwe & Aburakia 2020).
Zusammenfassend zeigt sich, dass sich die beiden Podcasts zum Teil im Aufbau und der Gesprächsstruktur unterscheiden. Während im tupodcast eine Person die moderierende Rolle einnimmt und ein Gespräch mit einer Gästin führt, ist die Kanackische Welle eine Allianz zwischen zwei Personen. Trotzdem ist die Art, Themen gemeinsam zu besprechen, ähnlich und auch im Podcast Kanackische Welle werden zu einzelnen Folgen Gäst*innen eingeladen.

Die Potenziale und Grenzen der postmigrantischen Podcasts

Auf Basis der hier vorgestellten Podcasts lassen sich PMPs zwischen dem konstruktionistischen und partizipatorischen Modell einordnen. Sie sind vor allem konstruktionistisch, da sie gezielt postmigrantische Themen ansprechen. Sie dienen der Kommunikation innerhalb der Gruppe und es geht vorrangig um den Austausch mit Betroffenen und die Anerkennung der einzelnen Erfahrungen. Der Stil ist damit erfahrungsbasiert, erzählend und emotional. Die Podcasts sollen den Austausch innerhalb der Gruppe fördern und empowern. PMPs dienen damit dem Bonding. Gleichzeitig übernehmen diese Podcasts aber auch Bridging-Funktionen (partizipatorisch). Sie richten sich nicht nur an die eigene Gruppe, sondern an alle interessierten Zuhörer*innen. Sie schlagen damit eine Brücke von der marginalisierten Gruppe zu anderen Teilöffentlichkeiten. Ebenso dienen diese Podcasts der Erhöhung der Repräsentation in der Medienöffentlichkeit sowie dem selbstbestimmten Schaffen des eigenen Bildes in den Medien.

Langfristig wäre ein partizipatorisches Modell wünschenswert, da so politische Partizipation an der Öffentlichkeit gewährleistet werden kann. Somit stellt sich die Frage, in welchem Ausmaß PMPs bereits politische Partizipation ermöglichen können.

Nach Donges (2020, S. 293-295) können Medien politische Partizipation durch die vier folgenden Punkte ermöglichen oder behindern:

Es ist also festzuhalten, dass PMPs grundsätzlich das Potenzial haben, politische Partizipation der Menschen mit Migrationshintergrund zu ermöglichen. Der Austausch innerhalb der Gruppen findet zwar öffentlich und damit für andere Teilöffentlichkeiten zugänglich statt, jedoch geschieht dies oft eher einseitig. Für tatsächliche Partizipationsmöglichkeiten, müssen die PMPs aus ihren Nischen herauskommen und der breiten Öffentlichkeit zugänglich werden. Gleichzeitig muss sich auch die Gesellschaft den Podcasts gegenüber stärker öffnen und die gegebenen Interaktionsmöglichkeiten in Anspruch nehmen. 

Ein weiteres Potenzial zeigt sich in der Produktion der PMPs. Diese lassen sich auch von Laien, also Menschen ohne journalistische Vorkenntnisse und mit wenigen Ressourcen (beispielsweise mit dem Smartphone) aufnehmen. 

Bestimmte Grenzen ergeben sich jedoch bei der Finanzierung von PMPs. Die Frage, wie man sich trotz eines kostenlos verfügbaren Podcasts weiter halten und produzieren kann, ist allgegenwärtig. Abgesehen von Zeit, ist Geld demnach eine der größten Hürden, wenn es um den Fortbestand von (postmigrantischen) Podcasts geht (Das Sendezentrum 2019, ab 24:42). Neben der Möglichkeit, sich durch Spenden-Plattformen (wie beispielsweise Steady) von den Hörer*innen unterstützen zu lassen, machen Podcaster*innen häufig von Werbeanzeigen im Podcast Gebrauch, vor allem wenn es sich um privat produzierte Podcasts handelt. Diese können sich nicht wie Podcasts des ÖRRs über die Rundfunkbeiträge finanzieren. Doch auch trotz Spenden und der Schaltung von Werbeanzeigen sind Podcast-Produzierende noch immer auf der Suche nach einem optimalen Finanzierungsmodell, um sich langfristig in der Medienlandschaft durchsetzen zu können (Domenichini 2018, S. 47).

Eine Möglichkeit, in der breiten Medienöffentlichkeit anzukommen und sich finanziell abzusichern wäre, mit dem ÖRR zu kooperieren. Einige postmigrantische Formate wurden bereits vom ÖRR übernommen (Funk o.D.). Die Frage bleibt offen, inwiefern dieser Schritt sinnvoll wäre und die Podcasts weiter frei in ihren Strukturen und ihrer Themenwahl blieben.

Wie geht es weiter?

In den letzten Jahren sind einige postmigrantische Formate wie z. B. Podcasts außerhalb der Strukturen des ÖRRs entstanden.

Es ist also festzuhalten, dass sich das Mediensystem und die Kommunikationsstrukturen der Gesellschaft durch erfolgte Migration bereits geändert haben. Langfristiges Ziel dabei ist, dass die Differenzierung unserer Gesellschaft sich auch in unserem Mediensystem widerspiegelt. Obwohl dieses Ziel noch nicht erreicht ist, tragen PMPs schon zu der gewünschten Differenzierung des Mediensystems bei. Außerhalb des öffentliche rechtlichen Rundfunks bieten postmigrantische Podcasts eine Möglichkeit, Gruppen zu einen, mehr Repräsentation zu schaffen und migrantische Themen für andere Teilöffentlichkeiten zugänglich zu machen.

Vor allem die Gesellschaft muss sich diesen Podcasts aber stärker öffnen und die Möglichkeiten des Bridgings wahrnehmen.

Quellen

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  • Barber, B. (1994). Starke Demokratie. Hamburg: Rotbuch.
  • Barber, B. (2004). Which Technology and Which Democracy? In: Jenkins, H., Thorburn, D. (Hrsg.), Democracy and New Media. Cambridge, Mass./ London: The MIT Press. 33-48.
  • Boytchev, H., Horz, C., Neumüller, M. (2020). Wie divers sind deutsche Medien? In: Neue deutsche Medienmacher*innen (Hrsg.). Viel Wille, kein Weg. Diversity im deutschen Journalismus. ndm: Berlin. 24-67.
  • Das Sendezentrum (2019). 10 Thesen zu Minderheitenpodcasts. Verfügbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=bJArp5Ojxss [Stand: 03.03.2021].
  • Domenichini, B. (2018). Podcastnutzung in Deutschland. Ergebnisse einer empirischen Studie. In: Media Perspektiven 2/2018. S. 46-49. 
  • Donges, P. (2020). Die Rolle der Medien in der Ermöglichung oder Behinderung politischer Partizipation. In: Lorenz, A., Hoffmann, C., Hitschfeld, U. (Hrsg.). Partizipation für alle und alles? Wiesbaden: Springer Fachmedien. 283-298.
  • Engesser, S., Wimmer, J. (2009). Gegenöffentlichkeit(en) und partizipativer Journalismus im Internet. Publizistik. 54. 43–63.
  • Europäische Kommission (2009). Media4Diversity – Vielfalt in den Medien - eine Bestandsaufnahme – Eine Studie zum Thema Medien und Vielfalt in den Mitgliedsstaaten der EU und drei EFTA-Ländern. Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften.
  • Fengler, S., Kreutler, M. (2020). Stumme Migranten, laute Politik, gespaltene Medien. Die Berichterstattung über Flucht und Migration in 17 Ländern. Frankfurt am Main: Otto Brenner Stiftung.
  • Funk (o.D.). Datteltäter. Verfügbar unter: https://presse.funk.net/format/datteltaeter/ [Stand: 22.03.2021].
  • Hestermann, T. (2020). Berichterstattung über Eingewanderte und Geflüchtete - Die Unsichtbaren. Hamburg: Hochschule Macromedia.
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  • Ogette, T. (2020). Schwarze Frauen in der Politik mit Aminata Touré. Verfügbar unter: https://tupodcast.podigee.io/9-neue-episode [Stand: 25.02.2021].
  • Ogette, T., Lawson, S. (o.D.). tupodcast. Verfügbar unter: https://tupodcast.podigee.io/ [Stand: 25. 02.2021].
  • Ogette, T. (o.D.). Verfügbar unter: https://www.tupoka.de/das-team/ [Stand: 25.02.2021].
  • Ohanwe, M., Aburakia, M. (2020). Wir sind die „Kanackische Welle“. Verfügbar unter: https://www.jetzt.de/kanackische-welle/kanackische-welle-kolumne [Stand: 11.02.2021].
  • Ohanwe, M., Aburakia, M. (2018). Growing Up Halb-Pali. Verfügbar unter: https://kanackischewelle.podigee.io/1-halb-pali [Stand: 25.02.2021].
  • Ohanwe, M., Aburakia, M. (o.D.). Kanackische Welle. Verfügbar unter: https://kanackischewelle.podigee.io/ [Stand: 25.02.2021].
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  • Parvand, M. (2010). Die drei „Ps“ der medialen Integration. In: WISO Diskurs. Zur Rolle der Medien in der Einwanderungsgesellschaft. Friedrich-Ebert-Stiftung. 39-42.
  • Podcast-Macher (2017). Das sind die beliebtesten Podcast-Themen. Verfügbar unter: https://podcast-macher.de/das-sind-die-beliebtesten-podcast-themen [Stand: 18.01.2021].
  • Podcast-Macher (2021). Podcast. Verfügbar unter: https://podcast-macher.de/podcast/ [Stand: 18.01.2021]. 
  • Pöttker, H. (2016). Fragestellung. In: Pöttker, H., Kiesewetter, C., Lofink, J. (Hrsg.). Migranten als Journalisten? Eine Studie zu Berufsperspektiven in der Einwanderungsgesellschaft. Wiesbaden: Springer. 10-22.
  • Prinzing, M. (2018). Bewusst alte Muster durchbrechen? Anwaltschaftlicher und konstruktiver Journalismus etc. aus ethischer Perspektive. In: Köberer, N., Prinzing, M., Schröder, M. (Hrsg.). Migration, Integration, Inklusion. Medienethische Herausforderungen und Potenziale für die digitale Mediengesellschaft. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft. 105-120.
  • Ratković, V. (2018). Postmigrantische Medien: Die Magazine "Biber" und "Migrazine" zwischen Anpassung, Kritik und Transformation. Bielefeld: transcript Verlag.
  • Ratković, V. (2019). From Niche to Mainstream? Post-Migrant Media Production as a Means of Fostering Participation. In: Thomas, T., Kruse, M., Stehling, M. (Hrsg.). Media and participation in post-migrant societies. Rowman & Littlefield International Ltd. 147-163.
  • Smart Hero Award (o.D.). Verfügbar unter: https://www.smart-hero-award.de/heroes/interview.cfm/key.5610/year.7 [Stand 07.03.2021].
  • Statistisches Bundesamt (2020). Pressemitteilung Nr. 279 vom 28. Juli 2020. Verfügbar unter: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/07/PD20_279_12511.html [Stand: 17.02.2021].
  • Weber, K., Drüeke, R., Langewitz, O., Nagenborg, M. (2009). Konvergente Medien – Integration oder Fragmentierung von Öffentlichkeit?. Merz Medien + Erziehung, Zeitschrift für Medienpädagogik. 53. 83-92.