Im Film kehrt Bäucker, Jahrgang 1980, in das Schulgebäude seiner brandenburgischen Kindheit zurück und rekonstruiert in Interviews mit ehemaligen Lehrerinnen und Lehrern und mit ehemaligen Schülerinnen und Schülern sowie mit Archivmaterial den Schulalltag und die Erziehungsmuster in der DDR. Dabei werden in der Rückschau die Wirkmechanismen der „Gesinnungsdiktatur“ erfahrbar und wie die damals Beteiligten das eigene Erleben und Handeln heute reflektieren.
Im Gespräch mit dem Publikum und mit den Podiumsgästen Dr. Anne Walde vom Amt für Schule der Stadt Leipzig und Erik Fischer, Historiker an der Universität Leipzig, erläuterte Bäucker seine Hauptthese: Die Erziehung zu einem funktionierenden Glied der sozialistischen Gesellschaft und die politische Indoktrination bis hin zur moralischen Erpressung wirke bei vielen bis heute nach, seelische Verletzungen würden oft verdrängt. „Es war total schwer, ehemalige Schüler vor die Kamera zu bekommen“, erzählte der Regisseur. „Viele haben nur wenig Erinnerung an den Unterricht, einfach weil sie als Individuum und Mensch so wenig vorgekommen sind.“ Der Diskurs im Unterricht sei immer vorgegeben gewesen: „Für jede Stunde gab es ein Erziehungsziel und ein fachliches Ziel, für die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen war entsprechend wenig Platz.“
Erik Fischer, der unter anderem in Stasi-Unterlagen zum Thema Schule in der DDR forscht, fand es frappierend, wie vor allem die Lehrerinnen und Lehrer im Dokumentarfilm die Schule verklärten nach dem Motto: Alle sind doch gern zur Schule gegangen. „In den Akten finden sich sehr viele schlimme Vorkommnisse: Schüler nahmen Tabletten, verletzten sich selbst, prügelten sich, es gab rechte Aktionen wie Schweigeminuten zu Hitlers Todestag“, berichtete er aus seiner Forschung. „Da wird viel im Nachhinein romantisiert.“
Zur Frage, ob heutige politische Bildung nur eine neue Form der DDR-Staatsbürgerkunde sei, meinte Dr. Anne Walde, im Amt für Schule verantwortlich für das pädagogische Konzept der neuen Leipziger Gemeinschaftsschule: „Jede Gesellschaft erzieht Kinder nach ihren Normen – heute passiert dies aber nicht so ideologisch. Statt den Kindern die eine politische Wahrheit aufzudrücken, haben wir in der politischen Bildung ein Kontroversitätsgebot. Außerdem legen wir den Fokus der Erziehung heute viel stärker auf eine Balance zwischen Individualität und Gemeinschaft.“
In der Diskussion mit dem Publikum ging es schließlich noch um generelle Fragen der Schulerziehung und das Spannungsfeld zwischen Prägung, gesellschaftlichen Anforderungen und den Bedürfnissen der Kinder. Ein Zuschauer meinte angesichts der Doku, die die Schule vor 40 Jahren in den Blick nimmt, und der heutigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Herausforderungen: „Ich frage mich, wie wir wohl in 40 Jahren über die Schule von heute diskutieren.“
Der Film „Heimatkunde“ ist in der Mediathek der Bundeszentrale für politische Bildung kostenlos abrufbar.