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Am 10. April 2024 fand der 6. Tag der Provenienzforschung in Leipzig statt. Provenienzforschung befasst sich mit der Objektgeschichte, ihren Eigentümern und Besitzern. Soweit als möglich wird der Weg von der Herstellung bis zum heutigen Platz im Museum in den Blick genommen.

Grundlage dafür ist eine allseitige Erfassung des Bestandes, die neben einer Dokumentation der Objekte auch alle Informationen zu ihrer Herkunft beinhaltet. Es gilt in der Folge den Bestand der Sammlung nach Objekten zu durchsuchen, die ihren ursprünglichen Eigentümern auf der Grundlage von Unrechtstatbeständen entzogen wurden. Dies trifft für illegale Ankäufe auf dem Kunstmarkt, aber auch für die Zeit der kolonialen Vergangenheit, der nationalsozialistischen Herrschaft, der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der DDR zu.

Die Ergebnisse der Erforschung der Sammlung liefert die Basis, um für alle Fallkonstellationen Lösungen im Sinne der jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen anzustreben. Dazu gehören die Klärung der Eigentumsverhältnisse und die Herstellung von Rechtssicherheit ebenso wie die transparente Darstellung und Dokumentation der gewonnenen Erkenntnisse.

Provenienzforschung ist aber auch die Aufarbeitung der Sammlungspolitik und -geschichte des eigenen Hauses. Die Frage nach der Herkunft der Objekte und den damit verbundenen Geschichten haben wir mit der ersten wissenschaftlichen Expedition von dem damaligen Professor Georg Steindorff verbunden, die ihn im Winter 1899/1900 in die Oase Siwa (Ägypten) führte. Es gab die Möglichkeit, am 10. April mit der Kustodin, Dr. Jana Helmbold-Doyé, ins Gespräch zu kommen und darüber hinaus eine eigens dafür gestaltete Vitrine zu der Unternehmung in die Westwüste zu sehen.

 

Durch die Wüste zur Oase Siwa

Georg Steindorff, der damalige Professor für Ägyptologie an der Universität Leipzig, verfolgte das Ziel erstmals die antiken Plätze der Oase Siwa zu untersuchen. Dazu gehörte auch der Tempel von Aghurmi, den er als den berühmten Orakeltempel identifizierte, in dem Alexander der Große als ägyptischer Herrscher bestätigt worden war. Als Altertumswissenschaftler wollte er Ausgrabungen vornehmen und daneben Material für naturwissenschaftliche sowie ethnografische Studien sammeln. Im Unterschied zu früheren Reisenden sollten diese Arbeiten umfassend dokumentiert werden.

Finanziert wurde die Expedition von dem Stuttgarter Unternehmer Ernst von Sieglin, der als Mäzen auftrat, der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig, der Carl Ritter-Stiftung des Leipziger Vereins für Erdkunde, der Akademischen Kommission zur Herausgabe des Wörterbuchs der Ägyptischen Sprache und dem damals im Kaiserlichen Generalkonsulat in Kairo ansässigen Freiherrn von Grünau.

Am 30. November 1899 zog die Karawane von Giza (Kairo) aus mit schwer beladenen Kamelen zur Oase Siwa. Mit siebzehn Kamelen, zehn Treibern, einem Koch, zwei Dienern, einem Karawanen- und einem Wüstenführer begab sich Georg Steindorff durch die Libysche Wüste. Zu dieser Zeit ein Abenteuer – nicht nur der Weg, da die Bewohner dieser Oase sich europäischen Reisenden gegenüber bis dahin wenig gastfreundlich gezeigt hatten. Die antiken Hinterlassenschaften in der Oase konnten erst drei Wochen später, vom 19.12.1899 bis 12.1.1900, erforscht werden. Ihr Rückweg führte sie über die Oase Bahariya und das fruchtbare Faiyum ins Niltal bevor sie am 29. Januar 1900 wieder in Kairo ankamen.

1904 legte Steindorff das Buch „Durch die Libysche Wüste zur Amonsoase“ vor, das sich an eine breite Leserschaft wendet, eine wissenschaftliche Auswertung fehlt bis heute. Dies ist besonders bedauerlich, da fast alle 100 Objekte, die dereinst im Rahmen der Fundteilung in die Sammlung gelangten, zu den kriegsbedingten Verlusten zählen. Umso wichtiger ist die Aufarbeitung der Expedition mit allen noch zur Verfügung stehenden Archivalien.

So entstanden während der zwei Monate ca. 250 Fotos, die sich in Leipzig befinden und ein dicht beschriebenes Tagebuch, das heute in der Bridwell Library der Southern Methodist University Dallas (USA) liegt.